Rezension zu Applaus für Bronikowski von Kai Weyand

Zwei Teenager, im blühenden Alter von 13 und 18 Jahren, sind auf sich allein gestellt, da die Eltern nach einem Lottogewinn ihren großen Traum nach Kanada erfüllen wollen. Der Ältere der beiden verwirklicht seinen Berufswunsch als Banker, nur der Jüngere bleibt irgendwie auf der Strecke. Ihm fehlt der Halt, jegliche Struktur. Ein Buch, das zum Nachdenken anregt. Ein Buch, das auf der Nominierungsliste des Buchpreises 2015 gestanden hatte. Ein Buch, das sich zu lesen lohnt.

Applaus für Bronikowski Rezension

 

Applaus für Bronikowski

 

Kai Weyand

 

 

 

Verlag: Wallstein

 

Taschenbuch: 188 Seiten

 

ISBN: 978-3835316041

 

E-Book: 15,99 €

 

Taschenbuch: 19,90 €

 


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Lösen sich die Wurzeln, fehlt der Halt.

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Worum geht es?

Die Handlung spielt zur heutigen Zeit in einem nicht erwähnten Ort, in dem Nies, mit Spitznamen NC, lebt, der vor kurzem seinen Job verloren hat. Zudem haben sich NC und seine Freundin

getrennt. Als Teenager wird er von seinen Eltern allein mit seinem fünf Jahre älteren Bruder in Deutschland zurückgelassen, weil sie im Lotto gewonnen und sich damit ihren Lebenstraum erfüllt haben. Lange schwärmten sie von einem Leben in Kanada, allerdings ohne Kinder. NC ist gerade einmal dreizehn Jahre alt gewesen und hat das Vorhaben seiner Eltern ganz und gar nicht gut gefunden.

Dieses Thema liegt wie eine schwere Last auf ihm. Womit NC nun sein Geld verdienen möchte, nachdem er seinen alten Job verloren hat, erfährt er durch purem Zufall. Bestatter ist der einzige Beruf, unter dem sich der Protagonist nichts vorstellen kann. Wie ein Magnet zieht es ihn in die geheimnisvollen Räumlichkeiten des Instituts. Seine momentane Notlage zwingt ihn gerade dazu, diese Berufsgruppe in all seinen Facetten kennenzulernen.

Das Cover

Anders als die anderen nominierten Bücher enthält das Cover ein klares Bild mit dunkelgrünem

Hintergrund. Es zog mich sofort in seinen Bann. Ein Fahrzeug, älteres Modell, steht am Straßenrand einer bewohnten Straße, das von einem kleinen, herrenlosen, schwarzen Hund am Radkasten markiert wird. Dabei schaut er ganz unschuldig, leicht nach unten gebeugt. Jetzt im Nachhall wirkt es wie eine Metapher für NC, der im Grunde genommen, die Häuser gern mit Tomaten oder Eiern bewirft – also auch markiert. Vielleicht markiert er dabei seinen Seelenzustand, was ein Hilferuf seiner selbst vermuten lässt. Statt einer beschmierten Hauswand entschied sich das Verlagsteam für einen Hund, einem Streuner, der sein Ziel noch sucht - genauso wie NC.

Sprache

Die Buchnominierung wird gleich auf der ersten Seite verdeutlicht, denn man erkennt darin die Liebe zur deutschen Sprache, die Liebe zu den Buchstaben. Ein Datum erscheint als Wort, was in der heutigen Literatur eher eine Seltenheit geworden ist, und auch die Rechtschreibung wird durchgängig akribisch eingehalten.

Im leichten Schreibstil beginnt der Autor mit einem Rückblick in die Kindheit des Protagonisten, verzichtet aber leider auf die Anführungszeichen in der wörtlichen Rede, was zwischenzeitlich den Lesefluss etwas beeinträchtigt. Durch den Blick in die Vergangenheit erzeugt der Autor sofort Mitgefühl. Der Leser fiebert mit dem Leiden jungen Mannes mit, kann den Groll auf die Eltern nachvollziehen, die egoistisch ihren Lebenstraum erfüllen, und ihre Söhne im Stich lassen.

Spannende 188 Seiten, wobei ich das Buch kaum weglegen mochte.

Meine Gedanken

Die Einleitung in das Thema des Buches gewährt dem Leser einen Einblick in das Leben des Protagonisten. Es beginnt mit dem Geburtstag, an dem NC, der eigentlich Nies heißt, auf einen relativ frühen Anruf seines Bruders hofft, damit er schnell auflegen kann. Der Rückblick packte mich gewinnbringend in die Sorgen und Probleme des 31-Jährigen.

Dass die Eltern nach Kanada ausgewandert sind, ohne ihn und seinem fünf Jahre älteren Bruder, als er gerade einmal 13 Jahre jung war, ließ mich nicht mehr los. Dabei blieben Fragen offen, was sich die Eltern dabei gedacht haben, ihre Kinder allein zurückzulassen, wohingegen ich mir nicht vorstellen kann, dass die deutsche Bildung der Hauptgrund dafür gewesen sein soll. Man spürt keinerlei Gewissensbisse oder Ängste über die Zukunft der Söhne, was mich nur kopfschüttelnd nach Antwort suchen ließ. Oder wie der Bruder diese Situation empfindet, da er selbst gerade 18 Jahre alt ist, eine Ausbildung als Bankkaufmann beginnt und sich nebenher um einen pubertierenden Jungen kümmern muss. Ziemlich viel Verantwortung für einen jungen Erwachsenen. Trotzdem hat er sein Ziel erreicht, ist allerdings auch ausgewandert und nach London gezogen, während NC im Nirwana planlos herumschwirrt. Die Rolle der Eltern und des Bruders kommen hier viel zu kurz. Fragend sucht der Leser nach Antwort, die er nicht bekommt.

 

Die parataktischen Sätze sowie die allwissende Erzählweise deuten darauf hin, dass NC kompliziert handelt und denkt, aber auch hier gibt es keine Hinweise, weshalb er seinen Job verloren hat und welche präzisen Gründe er gegen seine Eltern hegt. Man kann sich dies als Leser nur denken, weil man sich selbst auch im Stich gelassen fühlen würde, wenn man allein mit dem Bruder Erwachsen werden soll.

Auf der Suche nach einem neuem Job erhält der Leser auch keinen klaren Zugriff auf seine Gedanken, ob NC eventuell einen Beruf schon favorisiert hat oder ähnliches. Stattdessen bleibt

die Erzählung im Stil des Anfangs. Erst ab dem Zeitpunkt des Kennenlernens seines neuen Arbeitsplatzes, beginnt die Handlung, Interesse zu wecken.

Spannend konnte ich ab dem Zeitpunkt seine Gefühle und seine Emotionen nachvollziehen. Interessant waren auch seine Begegnungen mit den Verstorbenen und dass der Leser einen nachvollziehbaren Eindruck in die Berufswelt eines Bestatters bekommt.

Fazit

3,5 Sterne

 

Ich würde 3,5 Sterne vergeben, denn der erste Eindruck fiel sinngemäß enttäuschend aus, weil der Titel des Buches auf eine knackige Handlung hin leitet, in der viel mit Witz gearbeitet wird. Stattdessen braucht die Handlung zirka fünfzig Seiten, bis der Leser nicht mehr vom Buch weg kommt. Schlussfolgernd daraus lässt sich ableiten, dass der letzte Eindruck maßgebend ausfällt. Nachdem man sich immer mehr Fragen zum Buch stellt, wird der Leser gepackt und man möchte unbedingt das Ende der Geschichte erfahren. Dabei war es hilfreich, dass das Buch im leichten Stil geschrieben und die Aussagen unkompliziert dargestellt sind.

Zusammenfassend muss ich feststellen, dass der Roman „Applaus für Bronikowski“ verdient in der „Longlist“ des deutschen Buchpreises 2015 seinen Platz einnahm. Der Anfang enttäuschte mich persönlich, dafür ist es ab Seite 50 umso knackiger und mitreißender. Wer schwarzen Humor liebt und auf Realismus großen Wert legt, der wird beim Kauf dieses Buches keineswegs enttäuscht.

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